Pressemeldungen

Fachzeitschrift  Kommune21
 

Gigabit im Blick

Das größte Projekt zum Breitband-Ausbau in Europa steht vor dem Abschluss. Und die Breitbandgesellschaft Nordhessen, ein Zusammenschluss von fünf Landkreisen, entwickelt bereits den Masterplan für die Verlegung von Glasfaserkabeln in jedes Haus.

Nordhessen baut sein Breitband-Netz selbst aus. Denn etwa 300.000 der rund eine Million Einwohner der Region um Kassel leben so weit abseits des Ballungsraums sowie der mittleren und kleineren Städte, dass kein privatwirtschaftlicher Anbieter jemals Interesse haben wird, die Haushalte an ein schnelles Datennetz anzuschließen. Aus diesem Grund haben sich die fünf nordhessischen Landkreise als politische Initiative im Sinne der Daseinsvorsorge für den Ausbau eines flächendeckenden Hochgeschwindigkeitsnetzes entschieden. Die Überzeugung lautet: Wenn alle Kreise, alle Orte im Ausbaugebiet und alle potenziellen Kunden mitmachen, schaffen wir gemeinsam den Ausbau für uns alle. Ziel ist es, bis Ende dieses Jahres in der gesamten Fläche alle der zuvor schlecht versorgten, rund 570 noch so kleinen Ortsteile an das schnelle Netz anzuschließen. Das bringt für jeden eine Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 50 Megabit pro Sekunde. Durch den Einsatz von Vectoring sind sogar 100 Megabit pro Sekunde möglich.

Das Projekt ist das größte seiner Art in Europa. Angefangen hat alles im Jahr 2014 mit der Gründung der Breitband Nordhessen GmbH (BNG).  Die Gesellschafter sind die Landkreise Kassel, Hersfeld-Rotenburg, Schwalm-Eder, Waldeck- Frankenberg und Werra-Meißner. Die Stadt Kassel ist gut versorgt, kreisfrei und keine Gesellschafterin. Nach einer europaweiten Ausschreibung hat die BNG 2016 einen Generalunternehmer mit dem Bau der passiven Infrastruktur beauftragt, also dem Verlegen von Leerrohren und Glasfaserkabeln. Die Investition amortisiert sich, indem das Netz an das Unternehmen Netcom Kassel verpachtet wird, den Netzbetreiber, der sich ebenfalls in einer europaweiten Ausschreibung durchgesetzt hat. Dieser bietet den Endkunden, also Bürgern und Unternehmen, Produkte und Dienste auf dem Netz an.

Der Bau des Netzes kostet rund 128 Millionen Euro. Weitere 30 Millionen entfallen auf die Technik, mit der die Kunden an das Netz
angeschlossen werden. Hierbei helfen das Land Hessen und die Europäische Union. Die BNG erhält ein zinsgünstiges Darlehen und Fördermittel. Die Rückzahlung
der Darlehen wird über die Nutzer, also über die Kundenverträge zwischen dem Netzbetreiber und den Kunden, finanziert. Der Projektfortschritt ist hervorragend. Der Ausbau liegt im Plan und befindet sich auf der Zielgeraden. Bis Ende 2019 soll das Netz stehen. Zum Dekadenwechsel wird Nordhessen also Großes geleistet haben.

Natürlich wollte jeder als erstes am Netz sein. Aber selbst wenn in einem Ortsteil die Kabel gelegt und die Verteilerkästen gesetzt waren, hieß das noch lange nicht, dass das Signal dort schon ankam. Denn dieses wird auf Leitungen, welche die einzelnen Teilregionen ringförmig erschließen, vom gut versorgten Landkreis Kassel aus in die Fläche aller Landkreise geführt. Sind diese Zubringerleitungen noch nicht fertiggestellt, können auch die Endkunden noch nicht versorgt werden. Und bis die mehr als 2.000 Kilometer Leerrohre und Glasfaserkabelverlegt waren, dauerte es seine Zeit.

Das Ergebnis ist überzeugend: Mit Abschluss des Breitband-Ausbaus in der ersten Stufe bis Ende dieses Jahres haben 98 Prozent der Nordhessen eine Versorgung, die so gut ist, dass sie nach den gegenwärtigen Kriterien der EU keine weitere Förderung rechtfertigt. Derzeit prüft die Breitband Nordhessen GmbH, ob sie auch für die letzten zwei Prozent der Nordhessen das Netz ausbauen kann. Zunächst einmal klären die Landkreise, wer oder was sich hinter den rund 4.000 möglichen Anschlusspunkten verbirgt. Ist es ein Wohnhaus, ein Gewerbebetrieb oder ein leerer Schuppen? Diese Gebäude stehen meist sehr weit vom Kabelverzweiger, also dem Übergabepunkt für schnelle Daten im Ort, entfernt. Wenn die möglichen Punkte identifiziert sind und geklärt ist, ob sie für einen Anschluss infrage kommen, können sie über eine Direktanbindung mit Glasfaser erreicht werden. Das ist aufwendig und hat seinen Preis.

 

Kommune21, Ausgabe 6/2019

 

Die BNG denkt aber schon über punktuelle Direktanbindungen hinaus. Schließlich wachsen die Datenmengen, mit denen wir im Alltag arbeiten und die hin- und hergeschickt werden, immer weiter an. Bald werden die Datenmengen nicht mehr in Megabit, sondern in Gigabit gemessen. Und um in die Gigabitgesellschaft hineinwachsen zu können, braucht Nordhessen Glasfaserkabel bis zu jedem Gebäude, auf Englisch Fibre to the Building (FTTB) oder Fibre to the Home (FTTH).

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Breitband Nordhessen GmbH eine Strategie entwickelt. Allerdings kann nicht sofort mit einem flächendeckenden FTTB/H-Ausbau begonnen werden, es bedarf einer Planung, in der dargelegt wird, wie der langfristige und gezielte Ausbau vorbereitet und begleitet werden kann. Es ist notwendig, sich auf Entscheidungskriterien zur Beantwortung der Frage zu verständigen, ob und welche Infrastrukturelemente bei anstehenden linienhaften Tiefbauarbeiten zu verlegen sind, was die Basis für die Ermittlung notwendiger Investitions- und Fördermittelbudgets für einen flächendeckenden FTTB/H-Ausbau ist, und wie die konkrete Erschließung in den einzelnen Kommunen vorbereitet werden kann. Das sind nur einige der zentralen Fragen, die sich aktuell stellen. Mit der Zielnetzplanung werden auch Antworten auf Fragen gegeben, die sich für Kommunen aus dem Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (Digi-NetzG) ergeben. Vor diesem Hintergrund bilden der Projektansatz der BNG und die Erstellung von kommunalen Zielnetzplanungen die zentralen Elemente in der Vorbereitung der Förderung sowie der Umsetzung des flächendeckenden Gigabitausbaus.

Für den Evolutionsprozess zu einer Gigabitregion im Ausbaugebiet der Breitband Nordhessen GmbH dient ein Dreistufenplan. Zunächst wird das Projekt organisatorisch und ablauftechnisch strukturiert, und es werden vor allem auch regulatorische Fragestellungen geklärt. Im zweiten Schritt werden die kommunalen FTTB/H-Zielnetzplanungen in enger Abstimmung mit den Gemeinden und Städten erstellt, um im Anschluss den kommunalen Gigabitausbau umzusetzen. Das klingt in der Theorie einfacher als es in der Praxis ist. Die BNG wird noch in diesem Jahr in die erste Projektstufe starten. Sobald das Projekt strukturiert ist, können sich die Gemeinden, die an einem flächendeckenden FTTB/H-Ausbau interessiert sind, direkt an die BNG als zentralen Ansprechpartner wenden. Der erste Schritt für die interessierten Kommunen ist dann die geförderte Erstellung einer Zielnetzplanung.

Dieser weitere Ausbau ist noch stärker als der Breitband-Ausbau im ländlichen Raum in seiner ersten Stufe zwingend von einer Bundesund Landesförderung abhängig. Denn im Gegensatz zum aktuellen FTTC-Ausbau (Fibre to the Curb) der BNG, bei dem das Glasfaserkabel bis zur Kupferleitung des Telefonanschlusses gelegt wird, wird sich ein flächendeckender Gigabitausbau in Nordhessen betriebswirtschaftlich auch langfristig gesehen nicht tragen. Die Verlegung eines Glasfasernetzes bis in jedes Haus wird in Nordhessen voraussichtlich circa 1,3 Milliarden Euro kosten. Entsprechend werden Fördermittel die Grundlage für einen derartigen Ausbau bilden müssen. Klar ist jedoch, dass eine schnelle Datenverbindung in jedem Haushalt heute ebenso zur Daseinsvorsorge gehört wie Strom und Wasser.

 

Beitrag Breitband Nordhessen
in der Fachzeitschrift Kommune21

E-Paper veröffentlicht unter:
www.kommune21.de